Artikel aus dem Tageblatt zum 55. Stifungsfest 1952

Der nachstehende Text erschien am 18. Juli 1952 im Escher Tageblatt. Er wurde geschrieben von Jean Majerus alias Ronay, welcher selbst Student und mit Aachenern befreundet war. Übermittelt wurde dieser Text von Jean Thielen und François Kremen:

Ein Besuch in Aachen..

Zum 55. Stiftungsfest des Akademischen Vereins "d’Letzeburger" an der Technischen Hochschule

Stiftungsfeste von Studenten-Verbindungen sind an deutschen Hochschulen besondere Tradition geworden. Die Technische Hochschule in Aachen ist in dieser Hinsicht keine Ausnahme, oder doch in dem Sinne, daß hier diese Feste noch größer aufgezogen sind und noch besser gefeiert werden, als irgendwo an einer andern Universität in Deutschland. Die beiden letzten Jahrzehnte haben zwar, und zu Recht, mit den etwas brutalen und unpazifistischen Studentenpraktiken, wie Mensur usw. aufgeräumt, die strenge Disziplin in den jeweiligen Verbindungen ist doch geblieben. äusserlich sind die Mitglieder einer Studentenverbindung erkennbar durch das Tragen ihrer "Couleur": entsprechende Farbe der Mütze und des Brustbandes.

Die technische Hochschule in Aachen zählt zur Zeit über 5000 Studenten (wo die logieren ist dem Berichterstatter ein Rätsel), wovon eine große Zahl Ausländer sind. Die Luxemburger Studenten haben es im heurigen Sommersemester auf nahezu 50 gebracht. Fast sämtliche Studenten, ob deutsche oder Ausländer sind in Verbindungen zusammengeschlossen, die selbst wieder einen Vertreter in den AStA = Allgemeiner Studenten-Ausschuß haben. Dem AStA kommt die gleiche Bedeutung zu, wie in Frankreich der Association Générale de étudiants, d.h. er ist zuständig für die sozialen Einrichtungen der Studenten, für die Studentendörfer (cités universitaires), für die mensae, für das gegenseitige Verständnis zwischen Professorenschaft und Studenten, aber auch für die Koordinierung der Studentenfeste und für den Studentenschabernack (für die Entfernung des Reichsapfels vom Standbild Kaiser Karls zeichnete er aber nicht verantwortlich!) Das gesellige Studentenleben, das in Aachen pulsiert, die großen studientechnischen Vorteile, dem Allgemeinen Studenten-Ausschuß anzugehören, haben wohl die Luxemburger Studenten in Aachen dazu bewogen, ihrem Akademischen Verein "d’Letzeburger" wieder den Sinn einer Studentenverbindung zu geben, wie sie seit der Gründung im Jahre 1897 bis vor dem Kriege bestanden hat. Nach reiflichen Ueberlegungen und nach den nötigen Vorbereitungen hat dann 1949 der jetztige Präsident der Aktivitas, Freund Jean Thielen aus Esch-Alzette, mit seinen Studienkameraden den "AV d’Letzeburger Aachen" wieder ins Leben gerufen und als vollwertige Studenten-Verbindung aufgebaut. Es ist dies ein großer Erfolg über die größte Schwierigkeit, die da Abneigung an dem "Organisiert-Sein" heißt. Mit dem Abhalten der alljährlichen Stiftungsfeste wurde begonnen; Besichtigungen von technischen Betrieben, von Hütten, und anderen Fabriken, tragen den studientechnischen Erfordernissen Rechnung. In Studentenkreisen sowie auf der Hochschule wird den jungen Luxemburgern mit ihren bordeaux-roten Berets mit Achtung und mit viel Kollegialität begegnet.

Das 55. Stiftungsfest des AV d’Letzeburger Aachen, wollte man speziell hervorstreichen und hatte Präsident Jean Thielen mit dem Organisationskomitee eine größeres Programm festgelegt, das am 5. und 6. Juli ablief.

Der "tageblatt"-Berichterstatter kam am Samstag den 5. Juli erst einige Stunden vor dem Empfang in Aachen an und hatte kaum Zeit, einen Rundgang durch die Stadt zu machen, um sich von dem Fortgang des Wiederaufbaues zu überzeugen. Eines stellte er aber fest: die Stadt Aachen hat sich aus ihren Trümmern so langsam wieder erholt; großartige Neubauten und prachtvolle Geschäfts-Auslagen verschönern das Stadtbild; aber es muß noch viel geschafft werden: ganze Straßenzüge liegen noch in Schutt oder zeigen nacktes Mauerwerk ausgebrannter Häuserreihen. An den Gebäuden der Technischen Hochschule wird viel gewerkt; eine ganze Anzahl neuer Institute ist im Erstehen: Aachen, durch die Zahl der Studenten schon an der Spitze der Universitätsstädte Westdeutschlands, wird nach der Modernisierung der Technischen Hochschule einer der bedeutendsten wissenschaftlichen Treffpunkte Europas sein.

Zum Empfang in dem neuerbauten Restaurant "Vier Jahreszeiten" hatte sich die gesamte Aktivitas des AV d’Letzeburger eingefunden. Unter der Altherrenschaft des AV und den Gästen notierten wir u.a.: Herrn Direktor Schrader, Luxemburger Konsul, Aachen; Herrn Ing. dipl. Kirpach, Chef de Service Arbed-Beval und Tochter; Mme Vve Steinmetzer, Brüssel; Herrn Jean Moia, Ing. dipl. und Mme, Esch; Herrn Edgar Schmitz, Direktor der SA. Céodeux und Mme; Ing. dipl. Scheidweiler und Mme, Brüssel; Ing. dipl. Paul Huberty, Arbed-Mines und Mme; Ing. dipl. Loesch und Mme, Luxemburg; von der Professorenschaft Frau Prof. Dr Lipp, Prof. Dr. Eilender, Prof. Dr. Meixner, Dozent. Dr Meyer, sowie von der Studentenschaft der Vertreter des Allgemeinen Studenten-Ausschusses, der Vertreter der "Hollandia" und als Delegierter der Escher Universitären, Präsident Jean Majerus.

Nach einer kleinen Begrüßungsansprache des Präsidenten der Aktivitas, Freund Jean Thielen, mit der er alle G6auml;ste aufs herzlichste willkommen heißt und ihnen dankt für ihren geschätzten Beitrag zum Gelingen dieses 55. Stiftungsfestes des AV d’Letzeburger Aachen, kann natürlich kein anderes Studentenlied angestimmt werden als der "Gaudeamus". Im Namen der Altherrenschaft drückt dann Herr Ing.Moia seine Genugtuung darüber aus, daß der AV d’Letzeburger endlich wieder einen neuen Start genommen hat dank der Initiative des Präsidenten Jean Thielen und seiner Freunde und wünscht dem AV einen schönen Verlauf dieses Festes. Er dankt speziell Herrn Konsul Schrader für die große Hilfe, die er den Luxemburger Studenten zukommen läßt. Hr. Moia ist überzeugt, daß auch bald die letzten Außenstehenden den Weg zum AV gefunden haben, daß die Luxemburger Verbindung den ihr gebührenden Ehrenrang in den Aachener Studentenkreisen einnehmen wird und hofft, daß das nächstjährige Stiftungsfest mit einem richtigen Festkomers beginnen wird.

Von den verschiedenen Ansprachen bei diesem Empfang möchten wir diejenige Prof. Dr. Eilenders hervorstreichen. Prof. Dr. Eilender, einer der bedeutendsten Professoren der Hüttenkunde in Europa, betont, daß er sich unter Luxemburger Studenten immer wohl fühlt, verbänden ihn doch feste Bande der Freundschaft mit der kleinen "Insel" Luxemburg. Er hätte schon 1902 auf Werk Düdelingen praktisch gearbeitet und hier eine feste Freundschaft in dem späteren Arbed-Direktor Arthur Kipgen und in Robert Tesch gefunden. Er hätte sich stets um das wirtschaftliche Aufblühen des Ländchens gesorgt und dem kleinen Luxemburg die Berufung zugesprochen, die europäische Wirtschaft zu einigen. Er erinnert dabei an die großen Luxemburger Emil Mayrich und Aloyse Meyer, mit denen in Verbindung zu sein er die große Ehre hatte, und zieht eine Parallele mit dem Internationalen Kartellverband. Die europäischen Gedanken dieser beiden großen Luxemburger wären leider nie Wirklichkeit geworden; aber die Pflicht eines jeden Luxemburgers sei, diesen Gedanken ihrer großen Industrieführer Form zu verleihen. (Bezeichnend ist, daß Prof. Dr. Eilender die wirtschaftliche Integration Europas mit solchen Worten gefordert hat, er aber unterließ den Schuman-Plan namentlich zu erwähnen.)

Nachdem auch die verschiedenen Studentenvertreter zu Wort gekommen waren, hatte sich der offizielle Teil des Empfangs erschöpft. Und bis spät in die Nacht wurder der Aachener Studenten Muse und dem Löwenbräu gefrönt, was ja bei einem Studenten-Stiftungsfest Recht und Gesetz ist.

Nach dem Hochamt im Aachener Dom und nach einer kleinen Rundfahrt im Fiaker durch Aachen wurde am Sonntag ein Frühschoppen in der "Postkutsche" genehmigt, während die "Vier Jahreszeiten" woeder sämtliche Studenten und Gäste vereinigte. Erinnerungen an leider vergangene Studentenzeiten wurden getauscht, wohlwollende Kritiken am heutigen Studentenleben wurden einstimmig angenommen: damals "mußte" es ja schöner gewesen sein, ergo bewiesen Sipp und Deiwel.1

Gewitterneigung und Platzregen ließen das Nachmittagsprogramm, Besichtigungen der neuen Institute der Technischen Hochschule, regelrecht "ins Wasser" fallen; aber der "Waldschänke" war ein kurzer Abstecher gewidmet.

Das 55. Stiftungsfest des AV d’Letzeburger Aachen wurde abgeschlossen mit einem Festball in neuen Kurhaus: Walzermelodien und entkorkte Liebfrauenmilch oder perlender Bernkastler Doktor sorgten für gute Stimmung und fröhliches Beisammensein und man schied schweren Herzens von den Luxemburger Freunden in Aachen. Und alle Gäste haben sich geschworen nächstes Jahr wieder dabei zu sein… Wir können nur dem Akademischen Verein d’Letzeburger Aachen und speziell ihrem Präsidenten Jean Thielen beglückwünschen für den großen Erfolg ihres 55. Stiftungsfestes und wünschen ihrer sympatischen Studenten-Verbindung noch viele schöne Stunden in der reizenden Stadt Aachen und hauptsächlich für alle Luxemburger Studenten ein erfolgreiches Abschneiden an der Technischen Hochschule; das sind sie dem Andenken an ihren großen Vorgänger Aloyse Meyer schuldig.

Ronay


  1. Gemeint sind Robert Loesch (1910-1915 in Aachen), alias Sippy und ? Scheidweiler alias Däiwel. Insbesondere Sippy trauerte seiner Studentenzeit sehr nach und kümmerte sich liebend gerne um junge Studenten, Jean Heusbourg alias Kluef (1950-1955 in Aachen) hat er sogar als Fuchsen angenommen. Siehe auch das Foto, welches übrigens auf diesem Feste aufgenommen wurde. []

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